Nationalismus ist Fortschritt!


Umschlag einer Ausgabe der Zeitschrfit "Junges Forum" von 1967 mit einem Text, den Eichberg unter dem Pseudonym "Hartwig Singer" verfaßte
Umschlag einer Ausgabe der Zeitschrfit "Junges Forum" von 1967 mit einem Text, den Eichberg unter dem Pseudonym "Hartwig Singer" verfaßte

Wie erst jetzt bekannt wurde, verstarb am 22. April der Soziologe Henning Eichberg. Eichberg wurde am 1. Dezember 1942 in Schlesien geboren, wuchs in der Bundesrepublik als Flüchtlingskind auf, verbrachte aber die zweite Lebenshälfte in seiner Wahlheimat Dänemark. Dort lehrte er an verschiedenen Hochschulen und bekleidete gleichzeitig eine wichtige Position in der Sozialistischen Volkspartei, einer linksradikalen Gruppierung, die ursprünglich von Dissidenten der dänischen KP gegründet worden war.

 

Seinen politischen Weg hatte Eichberg allerdings auf der Gegenseite des ideologischen Spektrums begonnen. Er gehörte zu den zornigen jungen Männern der Nachkriegsgeneration, aber er trat nicht auf die Seite der Progressiven, oder, um genau zu sein: nicht auf die Seite der progressiven Mehrheit. Denn obwohl er sich anfangs zu den nationaleuropäischen und scharf antikommunistischen Zirkeln der Rechten gehalten und ein Intermezzo in der CDU gegeben hatte, war er nie ein Konservativer. Ganz im Gegenteil, Eichberg glaubte den Schlüssel für eine Neubestimmung der politischen Orientierungen gefunden zu haben: Weg vom Schema des 19. Jahrhunderts, hin zu einer anderen Frontstellung, zwischen den Kräften des Kapitalismus, der Entwurzelung und der Reaktion dort, und den Kräften des Sozialismus, der Identität und des Fortschritts hier.

 


Seine Formel „Nationalismus ist Fortschritt“ wirkte in der Umbruchzeit von `68 auf eine gewisse Anhängerschaft faszinierend. Und dem Geist der Zeit war nicht nur geschuldet, daß er und sein Kreis „nationalrevolutionär“ als Selbstbezeichnung wählten, sondern auch, daß die Terminologie und die Formensprache permanent Anleihen bei der Linken machten. Schon der von Eichberg gegründete „Republikanische Studentenbund Deutschlands“ griff mit seiner Bezeichnung auf eine im Umfeld der APO bevorzugte Formel zurück (s. „Republikanischer Club“), dessen Zeitschrift actio erschien in ausgesprochen moderner Aufmachung und übernahm popkulturelle Elemente. Aber das war nur ein Vorspiel. In eine entscheidende Phase trat die Entwicklung 1974 mit Bildung der „Nationalrevolutionären Aufbauorganisation“ (NRAO) unter dem Namen „Sache des Volkes“. La cause du peuple – „Die Sache des Volkes“ war der Titel der Zeitung, die die in Frankreich während der Studentenrevolte einflußreichen Maoisten gegründet hatten; das Organ der NRAO hieß denn auch konsequenterweise Neue Zeit, wie die „Revue“ der Antirevisionisten in der deutschen Sozialdemokratie vor dem Ersten Weltkrieg. Die formale Anpassung an das linke Muster war schließlich sogar daran erkennbar, daß die NRAO sich – ähnlich der DKP und den K-Gruppen - als Kaderorganisation verstand und ein eigenes Mitteilungsblatt für die Aktivisten unter dem Titel Ideologie & Strategie schuf. Inhaltlich ging die Orientierung an der Linken so weit, daß man für Allende und gegen Pinochet, für ETA und gegen Franco, für die IRA und gegen die britische Zentralregierung, grundsätzlich für die Streikenden und gegen die Unternehmer auftrat. Der einzige klar erkennbare Differenzpunkt blieb im Grunde die Forderung nach Wiedervereinigung West-, Mittel- und Ostdeutschlands, eingebettet in einen Nationalismus, den Eichberg theoriefähig machen wollte.

 

Allerdings scheiterte dieser Plan genauso wie der Versuch, die Nationalrevolutionäre zu einer politischen Kraft von Bedeutung zu frormen. Ende der 1970er Jahre erlahmte der Impuls. Ein Teil der Anhängerschaft kehrte in die Anonymität des Privatlebens zurück, ein zweiter wandte sich nach rechts (innerhalb der Jugendorganisation der NPD hatte der „nationalrevolutionäre Virus“ schon vorher Wirkung gehabt), ein dritter, kleiner, folgte Eichberg, der Schritt für Schritt nach links ging.

 

Die Bekehrung hat man ihm in Deutschland nie abgenommen, in Dänemark schon, da förderte seine Tätigkeit ein sozialdemokratischer Minister, ein konservativer versuchte ihr die Basis zu entziehen.